unsere Pfarrkirche

Katholische Pfarrkirche St. Marien:
Das zwischen 1951 und 1955 erbaute Kirchengebäude wurde 2007 als Baudenkmal eingestuft.

Baudaten:
Baujahr: 1951-55
Architekt: Adam und Walter Dickmann (Düsseldorf)
Bauherr: Katholische Kirchengemeinde St. Josef, Viersen

Lage und Geschichte
Pfarrei und Kirche St. Marien befinden sich im östlichen Stadterweiterungsgebiet von Viersen, im Bereich der alten Sektion Hamm, von der dieser Stadtteil auch heute noch seinen Namen bezieht.

Industrieansiedlung und öffentliche sowie private Wohnungsbautätigkeit ließen die Bevölkerungszahl in diesem Gebiet seit dem 19. Jahrhundert stark ansteigen. Infolgedessen gab es schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Bestrebungen, Hamm als eigenständigen Seelsorgebezirk von der zuständigen Pfarre St. Josef abzutrennen. Die Pläne kamen jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg zur Ausführung. Zudem gelobten die Kirchen Viersens im Oktober 1944 in der Josepfskirche, dass im Falle der Verschonung bei einem zweiten Bombenangriff auf die Stadt …nach dem Kriege … nach besten Kräften beizusteuern zum Bau einer Kirche die den Unbefleckten Herzen Mariens geweiht werden soll…!“ Die Entscheidung, in welchem Stadtteil diese Kirche gebaut werden sollte, fiel auf Hamm. Zunächst wurde 1946 in der Turnhalle der Hammer Grundschule eine Notkirche eingerichtet. Im Jahr darauf wurde die Suche nach einem geeigneten Bauplatz durch eine Schenkung von Josef Kaiser entschieden. Die Düsseldorfer Architekten Adam und Walter Dickmann (Düsseldorf) legten 1949 einen städtebaulichen Entwurf für das Gelände vor, das mit Kirche, Pfarrsaal, Schwesternwohnheim, Kindergarten und Pfarrwohnungen gleichsam ein neuer Mittelpunkt des Stadtteiles werden sollte. Geplant war, zuerst einen Pfarrsaal zu errichten, der zugleich auch als Notkirche dienen sollte, bis zur Fertigstellung der eigentlichen Kirche in einem weiteren Bauabschnitt „je nach Maßgabe der verfügbaren Mittel“. Im Winter 1950/1951 kam es jedoch zur Planänderung: Nun sollte nicht mehr zunächst der Pfarrsaal, sondern direkt die neue Pfarrkirche ausgeführt werden. Im März 1951 wurden daraufhin Pläne und Beschreibung zur Genehmigung vorgelegt, „unter Bezugnahme auf das bereits vorliegende Vorprojekt“; ein Kirchbauverein wurde im August gegründet. Im November 1951 erfolgte der erste Spatenstich, im Dezember 1952 die offizielle Grundsteinlegung. Trotz beachtlicher Spenden aus der Bevölkerung war die Finanzierung des vorgesehenen Turms lange ungesichert und wurde schließlich 1953 ganz von der Mutterpfarre St. Josef übernommen; in diesem Zusammenhang erfolgte im Dezember 1953 auch noch einmal eine Umplanung der Turmausführung. Am 7.11.1954 konnte die neue Kirche benediziert werden, am 13.11.1955 fand die feierliche Weihe statt. Am 08.12.2955 wurde St. Marien seelsorgerisch selbständiges Rektorat, am 01.10.1961 Pfarrvikarie und schließlich am 07.12.1991 selbständige Pfarrei.

Beschreibung

Die Marienkirche zeigt sich außen als sehr traditionell gehaltener, zweischiffiger Backsteinbau über rechteckigem Grundriss mit einem über dem niedrigen Seitenschiff auf der Nordseite asymmetrisch herabgezogenen Satteldach. Die Westfassade mit dem Haupteingang ist dementsprechend als Giebelfassade ausgebildet, an die –vor das Seitenschiff gestellt – seitlich ein äußerlich fünfgeschossig gehaltener Turm mit Pyramidendach eingefügt ist. Der Chor schließt ebenfalls gerade, ein eingeschossiger Sakristeianbau ist in Verlängerung des Seitenschiffes an den Ostgiebel angebaut – an den Fenstern im Sockel des Anbaus und des Chors wird deutlich, dass dieser Bereich zusätzlich auch unterkellert ist und weitere Nebenräume aufnimmt. Die Handwerklichkeit der Backsteinmauerung wird durch Details wie die Sturzmauerungen über den Öffnungen oder die „holländischen Dreiecke“ an den Giebelkanten betont. Für die Öffnungen waren in der Baubeschreibung „Werksteingewände oder Einfassungen aus Beton, der mit hellem Putz überzogen wird“ vorgesehen; augenscheinlich hat man sich auch hier für die traditionelle Werksteinlösung entschieden. Im Westgiebel ist über dem breit gelagerten Eingang mit Vordach über vier Stützen ein großes rechteckiges, fünfbahniges Fenster angebracht, der gegenüberliegende Ostgiebel (Chor) ist hingegen bis auf ein kleines Rundfenster in der Giebelspitze vollständig geschlossen; ein ursprünglich hier vorgesehenes Rosettenfenster kam nicht zur Ausführung. Seitlich erhält das Kirchenschiff seine Belichtung durch hochgelegene dreibahnige Fenster in der Südwand sowie kleinere, tiefer gelegene Fenster im nördlichen Seitenschiff. Hiervon abgehoben ist der Chor, der seitlich durch ein fast raumhohes rundbogiges Farbfenster in der Südwand belichtet wird. Der Turm ist stärker gegliedert als das Hauptschiff – seine vier unteren Geschosse sind durch dünne, hell abgesetzte Bänder voneinander getrennt. Ein recht altertümlich wirkender Rundbogenfries leitet zum hohen Glockengeschoss mit allseitigen Schallöffnungen über. Sein Pyramidendach ist unten durch Aufschieblinge abgeschleppt und kragt deutlich über. Die originalen, kleinteilig durchfensterten Eingangstüren aus Holz im Westen sind erhalten (die Anbringung leicht verändert). Die „Vorhalle“ hinter dem Eingang, von einer Orgelempore überfangen, ist durch nachträglich eingestellte Glaswände zum Kirchenschiff hin abgesetzt worden. Von ihr aus erreicht man seitlich durch einen Aufgang die Orgelempore, von der aus die Turmobergeschosse erschlossen sind, und die Kapelle im Erdgeschoss des Turmes. Das Kirchenschiff selbst ist innen klar und schlicht gehalten und wird vor allem von den kubischen Großformen aus hell gestrichenen Wandflächen, dem Blaustein farbigen Boden und der flachen Decke geprägt. An den Wandvorlagen und der balkenartigen Deckengliederung wird zudem deutlich, dass das Gebäude kein reiner Mauerwerksbau, sondern in Mischbauweise mit konstruktiver Stahlbetonstruktur errichtet wurde. Am niedrigen Seitenschiff vorbei, das zum Hauptschiff mit Rundpfeilern geöffnet ist, wird der Blick auf den über Stufen leicht erhöhten Altarraum gerichtet, der im Zuge der Liturgiereform nachträglich nach vorne zur Gemeinde hin verlängert und mit einem neuen Altar versehen wurde. Der originale Blockaltartisch aus poliertem Eifeler Blaustein (das auf ihm befindliche Tabernakel mit Relief der Verkündigung ebenfalls bauzeitlich) verblieb jedoch vor der geraden Chorwand, die ein Mosaik mit Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit trägt (1954). Es stammt ebenso wie das große seitliche Farbfenster mit Symbolen aus dem Marienleben (1954) von dem Mönchengladbacher Künstler Josef Höttges. Zeitgenössisch und dem Kirchenraum stilistisch gut eingepasst sind ferner die hölzernen Bänke.

Architekten

Die Marienkirche wurde von den Architekten Adam und Walter Dickmann aus Düsseldorf-Oberkassel entworfen. Adam Dickmann (29.12.1876 Neuss – 09.05.1961 Düsseldorf) ist insbesondere als Architekt zahlreicher Wohnbauten und Wohn- und Geschäftshäuser in (Düsseldorf-) Oberkassel bekannt. Ursprünglich kam er aus Neuss, wo ein Heinrich Dickmann bereits Ende des 19. Jh. als Architekt tätig war. Auch von Adam Dickmann sind frühe Bauten in Neuss überliefert (z.B. 1905 Wohnhaus Further Str. 109). Ab 1906/07 scheint er sich aber auf das in rascher Entwicklung begriffene Oberkassel konzentriert zu haben, wo er in den folgenden Jahren zu den meist beschäftigten Architekten zählte. Zahlreiche seiner in verschiedenen historisierenden Stilen gehaltenen Bauten innerhalb des städtebaulichen Ensembles Oberkassel stehen heute unter Denkmalschutz. Aus den 1920er Jahren kann die Wohnanlage Heerdter Sandberg / Hansaallee in Düsseldorf, die er in Gemeinschaft mit einigen anderen Architekten realisierte und die zeittypische Formen der Backsteinmoderne aufnimmt, als bekanntestes Werk von Dickmann gelten. Walter Dickmann (30.05.1911 Düsseldorf – ?) war der Sohn von Adam Dickmann. Er studierte Architektur an den Technischen Hochschulen in München und Hannover, wo er 1937 diplomiert wurde. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs arbeitete er in den Büros von Ernst Vetterlein (Hannover) und der Bauabteilung der Reichspostdirektion in Düsseldorf. 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, 1941 jedoch schwer verwundet und deswegen aus dem Kriegsdienst entlassen. Er trat daraufhin 1943 in das väterliche Architekturbüro ein und promovierte 1944 mit einer Arbeit über „Die bauliche Entwicklung der Stadt Neuss seit dem Ende der kurkölnischen Zeit“ an der TH Hannover (Prof. G. Graubner / E. Vetterlein) zum Dr.-Ing. Aus der Zeit des gemeinsamen Büros „A. & W. Dickmann“ nach 1945 sind außer St. Marien auch einige weitere Wiederaufbauten bzw. Neubauten von Kirchen bekannt, so die katholische Kirche St. Martin in Düsseldorf-Bilk (1951/52), der Turm von St. Barbara in Neuss (1954-57) und die katholische Kirche St. Josef in Hürtgenwald-Vossenack (1952/53). Für die Beauftragung eines Architekturbüros aus Düsseldorf-Oberkassel dürften nicht zuletzt verwandtschaftliche Beziehungen eine Rolle gespielt haben: Paul Dickmann, der Pfarrer von St. Josef in Viersen und damit Repräsentant des Bauherren von St. Marien, war ein Bruder von Adam Dickmann. Hierfür spricht auch der Wiederaufbau der Kirche in Vossenack durch A. & W. Dickmann: dort war Paul Dickmann bis 1942 Pfarrer gewesen, bevor er nach Viersen wechselte. Auch die Planung des 1958 errichteten Kindergartens der Pfarre St. Josef in Viersen stammt von A. und W. Dickmann.

Denkmalwert

Die Marienkirche in Hamm zählt zur traditionalistischen Richtung im Kirchenbau der 1950er Jahre, die sowohl in der Form des Baukörpers als auch bei der Materialwahl auf vertraute Konventionen und Anpassung an die Umgebung Wert legte. Die architektur- und zeitgeschichtliche Bedeutung dieses Traditionalismus gerade in der Wiederaufbauzeit ist in den letzten Jahren in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten herausgearbeitet worden. Auch die gestalterische Qualität gerade in der Bezugnahme auf örtliche Gegebenheiten wird inzwischen verbreitet wieder als Wert erkannt. Von der Grundanlage her ähnelt sie auffallend der etwa zeitgleichen Franziskuskirche in Süchteln-Vorst. Kennzeichen beider sind der traditionelle Baukörper, gestaltet als regelmäßig-rechteckiger Kubus mit Satteldach, die Verwendung des Baumaterials Backstein und der formale Bezug auf „romanische“ Formen mittels Rundbögen, Flachdecke u.ä. Noch mehr als Assoziationen an das (romanische) Mittelalter stand dabei ein Verweis auf „Urformen“ im Mittelpunkt, die sich in großen einfachen Kuben und Flächen, klaren Begrenzungen und unbedingte Konzentration auf Wesentliches äußerte. Beide Kirchen sind zudem zweischiffig, besitzen neben der Eingangsfassade in Verlängerung des Seitenschiffs einen Turm und haben einen gerade geschlossenen Chor. Dabei wirkt die Marienkirche jedoch vor allem im Inneren nicht so „archaisch“ wie St. Franziskus, was nicht zuletzt an der angedeuteten Stahlbetonkonstruktion liegt. Die Gestaltung der Kirche erfolgte natürlich auch in Anpassung an die finanziellen Mittel der Gemeinde und das städtebauliche Umfeld, das im Wesentlichen aus einfachen Wohn- und Siedlungshäusern des 20. Jahrhunderts bestand. So führten die Architekten zu ihrer städtebaulichen Planung 1950 aus: „Je nach Gesamtgrößenanordnung sind die Bauten dem siedlungsmäßigen Charakter des Ortsteiles angepasst, und gewähren durch ihre weiträumige Bebauung in Verbindung mit gärtnerischen Anlagen eine freie Erschließung des Grundstücks; sodass die Gesamtanlage zu einem freundlichen, aufgeschlossenen Ortsmittelpunkt im Stadtteil Hamm gestaltet werden kann“ (Zitat aus der Baubeschreibung der Architekten, 06.01.1950). Auch wenn die Planung nicht voll zur Ausführung kam, erfüllt die Marienkirche doch bis heute die ihr zugedachte Funktion als ein prägender baulicher Mittelpunkt der östlichen Stadtteile Viersens. Die Marienkirche ist außen und innen im Wesentlichen intakt erhalten und somit ein anschauliches Zeugnis der traditionalistischen Richtung des Kirchenbauschaffens der 1950er Jahre. Ihre wenig avantgardistische, sondern eher „baumeisterliche“ Haltung dürfte nicht nur den finanziellen Mitteln der Gemeinde, sondern auch –ausweislich der anderen bekannten, ebenfalls traditionalistischen Kirchenbauten des Büros – der Intention der Architekten Adam und Walter Dickmann entsprochen haben.