Viersen, den 22.01.2017
Predigt von Bezirkspräses Pfr. Roland Klugmann
anlässlich der Sebastianusfeier /Veröffentlichung Jahresleitwort 2017
Liebe Schützenschwestern und Schützenbrüder,
„Einmütig im Gebet“, das ist das diesjährige Leitwort für unseren Bezirk Viersen-Mitte. Es ist eine gute Tradition geworden, dass das Schützenjahr, welches wir heute wieder offiziell eröffnen, unter ein geistliches Wort gestellt wird.
Aber ist das Leitwort „Einmütig im Gebet“ – ein passendes für unsere elf Bruderschaften? Wenn wir an unsere Bruderschaften denken, geht es dann nicht eher um Glaube, Sitte und Heimat, geht es dann nicht um Königswürden und Schützenfeste?
Um dem Sinn des Jahresleitwortes auf die Spur zu kommen, möchte ich einen Blick auf das Gebet im Allgemeinen werfen. Wir alle kennen verschiedene Gebete, das Bitt- und das Dankgebet, das gemeinsame und das Gebet des Einzelnen, das Stoßgebet, das hörende Gebet, das vorformulierte und das freie Gebet, und viele andere Formen, da muss jeder die Form finden, die zu ihm passt.
Allen Gebetsformen ist eins gemeinsam. Gebet ist immer die Zwiesprache, der Dialog mit Gott, egal, ob Vater, Sohn oder Heiliger Geist, oder mit allen dreien, der Dreifaltigkeit. Es gibt Zeiten, da fällt das Beten leichter und die Zeiten, in denen es uns schwer fällt. Das Gebet ist aber auch immer notwendig das Gebet der Kirche, und damit meine ich das Gebet der Menschen, die Kirche sind. Die Jungen und die Alten, die Gesunden und die Kranken, die Modernen und die Konservativen, die Frauengruppe, wie die Männergruppe, die Schützen, wie die Wallfahrtsbruderschaften, alle vereinen sich im großen Gebet der Kirche zu ihrem Gott.
In einem zweiten Schritt frage ich uns alle: Hat Beten in meinem und unserem Leben noch ein Platz? Es gibt die augenscheinlich professionellen Beter, denen es aufgrund ihres Berufes und ihrer Berufung auf die Fahne geschrieben ist, Bischöfe, Priester, Diakone und Ordensleute. Doch eigentlich steht es jedem Glaubenden sprichwörtlich ins Gebetbuch geschrieben, mit dem in Kontakt zu bleiben, der uns in seinen Händen hält. Sie und Ihr alle wisst, dass ich nicht müde werde zu predigen, dass Schützenbruderschaften Teil der Gemeinden sind. Sie und Ihr alle seid ein wichtiger und für mich nicht wegzudenkender Teil unserer Gemeinde und Gemeinschaft St. Remigius. Doch bei allem muss ich immer wieder in unserer Gemeinde und auch in den Bruderschaften feststellen, dass die Nähe zum Herrn, die innige Verbundenheit und der Dialog uns in den letzten Jahren weniger geworden sind. Wir beschäftigen uns zu sehr mit Reformen und Strukturen und verlieren immer mehr das Vertrauen, dass er, Gott selber, der Herr seiner Kirche ist. Manchmal träumen wir vielleicht noch von der Volkskirche, aber wenn wir ehrlich sind, sind wir nur noch eine Stimme unter vielen andersgläubigen und ungläubigen Stimmen. Und noch dazu eine sehr verzagte Stimme. Was ist passiert? Unser Glaube verdunstet, er versinkt in der Beliebigkeit, der Unverbindlichkeit, der Meinungsvielfalt, der Besserwisserei und der Überheblichkeit. Unsere Kirchen werden immer leerer, Pfarrgemeinden sind nicht mehr überlebensfähig, Familien werden dem modernen Zeitgeist entsprechend definiert und wir stehen unmittelbar vor einem pastoralen und kirchlichen Kollaps. Es bahnt sich eine Glaubens- und eine Kirchenkatastrophe an, wie sie scheinbar noch nie da gewesen ist. Das gleiche Phänomen, wenn auch nicht so dramatisch, ist anfanghaft bereits am Horizont unserer Bruderschaften wahrzunehmen. Weniger Mitglieder, weniger Engagierte, sodass die, die noch aktiv dabei sind viel und immer mehr zu stemmen haben. Alle suchen einen Weg aus diesem Dilemma, doch dieses Suchen und Versuchen ergeht sich aus meiner Wahrnehmung heraus oft in einem Aktionismus, der alle, die sich für unsere Bruderschaften engagieren, noch mehr fordert und manches Mal überfordert. Diejenigen die sich engagieren und mit der Zukunftsfrage der Bruderschaft auseinandersetzen, sind oft noch unterschiedlicher Meinung, besonders, wenn es um die Perspektive über den Tellerrand der eigenen Bruderschaft hinausgeht. Ich will das nicht schlecht reden, weil es auf den ersten Blick sicher auch natürlich ist, sich zunächst auf die Bauchnabelschau zu beschränken. Doch wir dürfen das größere Ganze nicht aus dem Blick verlieren. Und hier kann uns das Gebet helfen. Das gilt für die Bruderschaften im Binnenverhältnis, also der Zusammenhalt in der eigenen Bruderschaft, aber vor allem auch in Bezug auf die Gemeinschaft unserer Bruderschaften untereinander. Wie sieht es denn aus, wenn eine Bruderschaft kein eigenes Schützenfest mehr feiert, nicht mehr feiern kann, weil die personellen Ressourcen fehlen? Wie sieht es aus, wenn eine Bruderschaft kurz vor dem Abgrund steht?
Sind wir hier nicht alle gefordert, uns nicht nur für die Beerdigung der Bruderschaft zu rüsten, sondern mit der Bruderschaft gemeinsam zu überlegen, wie neue, sicherlich ungewohnte und ungewöhnliche Schritte zu gehen. Das verlangt Bereitschaft und Offenheit auf beiden Seiten.
Trauen wir in solchen Situationen Gott noch zu, dass er hier eingreift und uns Wege aufzeigen möchte. Wir beten immer wieder „dein Wille geschehe“ und nicht „mein Wille geschehe“. Wenn wir das ernst nehmen, dann müssen wir still werden und darauf hören, was Gott uns zu sagen hat. Versuchen wir im gemeinsamen Gebet, auf der Grundlage unserer Bruderschaften, Glaube, Sitte und Heimat, einmütig darauf zu hören, was Gott uns zu sagen hat.
Der Vers aus der Apostelgeschichte, dem unsere Jahreslosung entnommen ist, steht im Kontext der Versammlung der Apostel, die sich nach der Himmelfahrt Jesu Christi neu finden müssen. Dazu rufen Sie alle zusammen, die in diesem Findungsprozess vielleicht helfen könnten, Sogar Frauen finden auf einmal Zutritt zur Gebetsgemeinschaft, und das ist zu damaliger Zeit ein völlig neuer Weg und keine Selbstverständlichkeit. Kann das nicht für uns heißen, dass wir in und unter unseren Bruderschaften alle an einen Tisch holen, die Alten und die Jungen, die Frauen und die Männer und gemeinsam still werden, im Gebet verharren und nicht beten: Guter Gott, lass unsere Bruderschaft nicht untergehen, sondern: Zeige uns Wege, die wir mit allen Bruderschaften gemeinsam gehen können. Ein solcher Weg ist auf alle christlichen Gemeinschaften übertragbar, das ist nicht nur ein Weg für die Schätzen. So ändert sich die Perspektive. Dass Wir der eigenen Bruderschaft wird zum Wir der Schützen in Viersen. Die einzelnen Bruderschaften können und müssen sich als eine Gemeinschaft für ihr Anliegen einsetzen, nicht nur für unsere Bruderschaften, sondern auch für unsere Kirche hier in Viersen und auch für unsere Stadt Viersen. Konkurrenzdenken, Abschotten bringt uns hier keinen Zentimeter weiter.
Ich ürde mir und unseren Bruderschaften wünschen, dass wir immer mehr auch eine Gemeinschaft werden, die sich im Gebet einmütig vereint, nicht nur auf die eigene Bruderschaft schauend, sondern das Gesamte in unserem Bezirk Viersen-Mitte im Blick hat. So können wir hoffentlich zu einer zukunftsfähigen und sicher aufgestellten Schützenfamilie werden.
Ihr und Euer Präses
Roland Klugmann